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Im betrachteten Zeitraum setzte die Schweiz ihr internationales Engagement fort, sei es im Rahmen der UNO, sei es in Foren, die sich mit der Entwicklung multilateraler, bilateraler und regionaler Handelsregeln befassen. Während die erste Hälfte der Berichterstattungsperiode in gewohnten Bahnen verlief, hat die Covid-19-Pandemie auch im internationalen Umfeld grosse Auswirkungen gezeigt. So erwartet das Welternährungsprogramm der UNO, dass sich die Anzahl Menschen, die auf Hungerhilfe angewiesen sind, bis Ende Jahr auf nahezu 270 Millionen verdoppeln wird. Gemäss der internationalen Arbeitsorganisation ILO mit Sitz in Genf ist die Hälfte der weltweiten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitslos. Davon betroffen sind insbesondere Menschen im sogenannten informellen Sektor. Die Schliessung von Schulen in einer grossen Anzahl Länder der Erde hat dazu geführt, dass sehr viele Schulkinder auf ihre einzige regelmässige Mahlzeit pro Tag verzichten mussten, da auch die Schulkantinen geschlossen wurden. 

Auch die Auswirkungen auf die Land- und Ernährungswirtschaft sind gross. Viele Märkte sind weggefallen und Lieferketten unterbrochen worden, da z. B. Restaurants und Kantinen geschlossen wurden. Wo es nicht gelang, diese Lieferketten umzuorganisieren, wurden Lebensmittel weggeworfen. Saisonale Arbeitskräfte konnten nicht oder nur beschränkt zu ihren Einsatzorten reisen, was zusätzlich zu Ernteverlusten oder zu Verzögerungen im Anbau führte. Die grossen Schocks, unter denen die Landwirtschaft in vielen Ländern litt, entstanden aber nicht so sehr aufgrund von Schwierigkeiten im internationalen Warenverkehr, als vielmehr aufgrund von landesinternen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Dennoch zeigte sich die Wichtigkeit internationaler Zusammenarbeit in Krisenzeiten. Dies betrifft insbesondere auch die Stärkung der Resilienz und der Nachhaltigkeit in der Land- und Ernährungswirtschaft. Als stark von Importen abhängiges Land ist es im Interesse der Schweiz, die Widerstandsfähigkeit der Ernährungssysteme weltweit gegenüber plötzlich auftretenden Schocks, aber auch gegenüber langfristig wirkenden Veränderungen zu verbessern. Schliesslich stellen neben der aktuellen Pandemie Entwicklungen wie der Klimawandel, der Bodenverlust, die Wasserknappheit oder die Zerstörung der Biodiversität die Land- und Ernährungswirtschaft weltweit vor grosse Herausforderungen.

So hat sich die Schweiz auch im Jahr 2020 im Rahmen der UNO stark für die Entwicklung der Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) engagiert. 

Des Weiteren setzt sich die Schweiz in verschiedenen Foren mit Nachdruck für die Transformation hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen ein, unter anderem im Rahmen des One Planet (10YFP) Sustainable Food Systems (SFS) Programme, der Verhandlungen zu den kommenden Richtlinien zu Ernährungssystemen und Ernährung des Welternährungsausschusses (Committee on World Food Security) sowie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Ernährung soll nicht nur gesund für das Individuum, sondern auch nachhaltig produziert und konsumiert werden und nutritiv sinnvoll sein. 

Bei vielen weiteren wichtigen Themen wie Ernährungssicherheit, nachhaltige Nutztierhaltung und nachhaltige Entwicklung der Berggebiete ist die Schweiz massgeblich an der Entwicklung von normativen Rahmenbedingungen beteiligt und zeichnet sich auch durch ihr Engagement in verschiedenen Gremien der FAO aus. Dieses Engagement bleibt in Anbetracht der seit drei Jahren wieder steigenden globalen Hungerzahlen und der Covid-19-Pandemie wichtig. 

Während die Mitglieder der Welthandelsorganisation alles daran setzten, die WTO‑Ministerkonferenz vom Juni 2020 vorzubereiten, führte ihnen die Covid‑19‑Krise vor Augen, dass grundlegende Fragen wie die Einhaltung bestehender Handelsregeln oder die Transparenz von zentraler Bedeutung und somit weitaus relevanter als künftige Reformen sind. Fortan galt das Hauptaugenmerk der Mitgliedsländer den Sofortmassnahmen, damit die Importeure und die betroffenen Staaten über die Agrarwarenströme informiert waren. Entscheidend war dabei der Impuls der G20, an deren Treffen die Schweiz im Jahr 2020 ausnahms­weise teilnehmen kann, indem sie der internationalen Gemeinschaft ihre Verantwortung bezüglich der internationalen Versorgungssicherheit und der Lagerkapazitäten in ausserordentlichen Lagen bewusstmachte.

Auf regionaler Ebene hat die Schweizer Landwirtschaft eng mit ihrer wichtigsten Partnerin, der Europäischen Union, zusammengearbeitet, um den Warenfluss trotz der protektionistischen Bestrebungen gewisser Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Die Schweiz blieb dadurch vor Versorgungsproblemen verschont.

Diese Krise hat bestätigt, dass es für die Schweiz absolut dringlich ist, klare Handelsregeln, die es ermöglichen, eventuellen Einschränkungen durch ihre Handelspartner vorzugreifen, aufrechtzuerhalten und auszuarbeiten. Die WTO-Mitgliedschaft, aber auch die guten Beziehungen zur EU und zu den Freihandelspartnern, die die drei Säulen der internationalen Agrarpolitik der Schweiz bilden, trugen somit wesentlich dazu bei, während der Krise die Bevölkerung und die Nahrungsmittelindustrie mit Lebensmitteln zu versorgen, ohne dass Engpässe entstanden.

Die Covid-19-Krise hat zwangsläufig physische Begegnungen eingeschränkt und damit die digitale Kluft aufgezeigt, die innerhalb der internationalen Gemeinschaft besteht. Während einige Länder sofort in der Lage waren, ihre Teilnahme an wichtigen Diskussionen über Ernährungssicherheit und spezifische Bedürfnisse in Pandemiezeiten zu organisieren, fielen andere schlichtweg dem Mangel an Infrastruktur zur Mitteilung ihrer Bedürfnisse zum Opfer. Diese Dimension muss in Zukunft berücksichtigt werden, wenn die Bedrohung durch eine zweite Welle oder sogar eine permanente Präsenz des Virus offensichtlich wird.

Alwin Kopse, BLW, Fachbereich Internationale Angelegenheiten und Ernährungssicherheit, alwin.kopse@blw.admin.ch
Michèle Däppen, BLW, Fachbereich Handelsbeziehungen, michele.daeppen@blw.admin.ch

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