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Die Art und Weise, wie eine Hofnachfolge abläuft, beeinflusst die Zukunft des Landwirtschaftsbetriebs und der Bauernfamilie. Die Übergabe beziehungsweise Übernahme eines Betriebs ist ein komplexer Prozess und stellt hohe Anforderungen an alle beteiligten Personen. Der Grundstein des zukünftigen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens wird gelegt.

In der Beratung und bei Fachstellen ist viel Wissen und Erfahrung vorhanden, wie Hofübergaben geplant werden und ablaufen. Aber wenig ist nachlesbar, in welchen Schritten eine Hofübergabe idealerweise erfolgen soll. Bauernfamilien müssen Informationen teilweise an verschiedenen Stellen suchen. Rückmeldungen der Praxis und Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung zeigen, dass soziale Fragen bei der Hofnachfolge oft nur am Rande angesprochen werden: Also Fragen z.B. zum Zusammenleben, zu den Erwartungen und Rollen. Diese Aspekte können jedoch weitreichende Folgen für Betrieb und Familie haben. Viele möchten die Hofübergabe in wenigen Wochen abwickeln, doch so bleibt keine Zeit für eine umsichtige Planung.

Das Projekt Hofübergabe360

Im dreijährigen Projekt «Hofübergabe360» widmeten sich Forscherinnen der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL der innerfamiliären Hofnachfolge. Das Projekt hatte zum Ziel, gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern aus Beratung, Agrotreuhand und aus der bäuerlichen Bevölkerung Hilfsmittel zu entwickeln, die alle Betroffenen der Hofnachfolge einbeziehen und miteinander in Austausch bringen. Diese sollen Bauernfamilien und Beratungspersonen dabei unterstützen, den Hofnachfolgeprozess frühzeitig und ganzheitlich anzugehen.

Um dieses Ziel zu erreichen, musste zunächst geklärt werden, wie Bauernfamilien die Hofnachfolge erleben, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind und welche Beratungsangebote sie nutzen. Hierfür wurden Interviews mit Bauernfamilien geführt, die im Hofnachfolgeprozess stehen. Zudem diskutierten Vertreterinnen und Vertreter der abtretenden und der übernehmenden Generation die Herausforderungen und Chancen, wie sie sie im Hofnachfolgeprozess erlebten. In mehreren Workshops sammelten und diskutierten die Projektpartner und Bauernfamilien ihre Erfahrungen mit dem Hofnachfolgeprozess.

Auf dieser Basis entstanden zum einen eine Beschreibung und eine grafische Darstellung des Hofnachfolgeprozesses. Beides ist auf einer Website abrufbar und mit weiterführenden Dokumenten verlinkt (https://www.hofnachfolge-parcours.ch). Zum anderen entwickelten die Projektpartnerinnen und -partner ein Brett- und Kartenspiel mit dem Namen «Parcours» (www.bfh.ch/hafl/hofnachfolge-parcours). Das Spiel ist interaktiv gestaltet, so dass die Beteiligten miteinander ins Gespräch kommen. Gemeinsam diskutieren sie vielfältige Situationen, die während oder nach der Hofnachfolge entstehen können und aus dem Erfahrungsschatz der Praxispartnerinnen und Praxispartner und aus der Forschung stammen. Ein wichtiges Element des Spiels ist es, dass sich die Spielenden in die Rolle anderer Personen des Familienbetriebs hineinversetzen. Nicht zuletzt soll das Spiel aufzeigen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um Fragen und Probleme zu lösen und es sich lohnt, in Varianten zu denken. Auch wer nicht gerne spielt, kann die Situations- und Ereigniskarten als Inspiration und zur Reflexion nutzen.

Der Hofnachfolgeprozess

Die Hofnachfolge ist ein Prozess, der je nach Familie und Betrieb unterschiedlich abläuft. Die beteiligten Personen der abtretenden und der übernehmenden Generation gestalten den Prozess. Dazu gehören nebst den aktuellen und zukünftigen betriebsleitenden Personen auch Partnerinnen und Partner beider Generationen sowie Geschwister der nachfolgenden Generation.

Die im Projekt erarbeitete Darstellung zeigt die Hofnachfolge als Prozess mit sieben Phasen.
 

Die sieben Phasen des Hofnachfolgeprozesses

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Quelle: BFH-HAFL. © Berner Fachhochschule | Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL


Der Hofnachfolgeprozess ist kein geradliniger Ablauf, manchmal müssen die Beteiligten zu einer vorherigen Phase zurückgehen, wenn neue Fragen auftauchen, die zu klären sind. In jeder Phase stehen andere Ziele, Themen und Herausforderungen im Zentrum.

Bestimmte Phasen kann jede Generation oder jede Person für sich bearbeiten. So geht es in Phase I «Wunsch / Standortbestimmung» darum, dass sich alle ihrer eigenen Wünsche, Werte und Lebensziele bewusst werden. In anderen Phasen müssen die Generationen das gemeinsame Gespräch suchen. Beispielsweise in Phase I «Familienkonferenz», wo es darum geht, sich über Wünsche, Erwartungen und Ziele auszutauschen. Der anschliessende Austausch über die Familienkonferenz mit einer Beratungsperson kann hilfreich sein.

Bauernfamilien beziehen sowohl Phase I als auch Phase II oftmals nicht bewusst in ihren Hofnachfolgeprozess mit ein oder sie planen dafür zu wenig Zeit ein. Dabei werden gerade hier wichtige soziale und familiäre Fragen zu den Erwartungen und Ängsten, zum Zusammenleben und Zusammenarbeiten angesprochen. Dies kann emotional werden und schwierig zu lösen sein. Auch die letzte Phase, die konkrete Umsetzung und spätere Überprüfung der beschlossenen Hofnachfolgevariante sollte noch bewusster als Etappe des Prozesses wahrgenommen werden. Insgesamt ist die Hofnachfolge ein langfristiger Prozess und sollte die entsprechende Zeit und Aufmerksamkeit erhalten.

Fazit

Die Hofnachfolge hat langfristige Auswirkungen auf Familie und Betrieb. Mit einer frühzeitigen und umsichtigen Planung und Durchführung können negative Folgen wie Generationenkonflikte oder finanziell schwierige Situationen eher vermieden werden. Familiäre und soziale Fragen sind heikler anzusprechen, sowohl für Bauernfamilien als auch für Beratungspersonen. Die zentrale Herausforderung für die Familien und auch für die Beratung ist eine gute und offene Kommunikation innerhalb und zwischen den Generationen. Das entwickelte Spiel «Parcours», einsetzbar in der Familie, in der Beratung und in der Berufsbildung, soll hier seinen Beitrag leisten.

Titel: Innovative Ansätze zur ganzheitlichen Planung und Durchführung der Hofübergabe (Hofübergabe360)
Laufzeit: 2017 – 2020
Ausführung: Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Berner Fachhochschule BFH-HAFL
Finanzierung: Bundesamt für Landwirtschaft, Fondation Sur-la-Croix, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL
Parcours – das Spiel der Hofnachfolge: www.bfh.ch/hafl/hofnachfolge-parcours
Der Hofnachfolgeprozess: https://www.hofnachfolge-parcours.ch

Dr. Sandra Contzen und Isabel Häberli, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL, sandra.contzen@bfh.ch

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