Zurück

Der Pflanzenertrag hängt massgeblich von einer bedarfsgerechten Verfügbarkeit von Stickstoff ab. Eine angepasste Düngung ist deshalb eine wichtige Grundlage für die landwirtschaftliche Produktion. Durch die komplexen natürlichen Vorgänge im Boden kommt es insbesondere im Ackerbau zu Situationen, bei denen mehr Stickstoff in Form von Nitrat vorliegt, als die Pflanzen unmittelbar aufnehmen. Nitrat kann dann mit versickernden Niederschlägen ins Grundwasser ausgewaschen werden. Dadurch gelangt es auch in unsere wichtigste Trinkwasserressource, denn über 80 % des Schweizer Trinkwassers stammen aus dem Grundwasser. Via Grundwasser oder Einträge in Fliessgewässer und Seen gelangt Nitrat schliesslich ins Meer und verändert dort die Nährstoffverhältnisse vor allem in küstennahen Gebieten. Algenblüten können entstehen. Algengifte und Sauerstoffmangel, der durch den Abbau von abgestorbenen Algen entsteht, können verheerende Folgen für Fauna und Flora des Meeres haben. 

Neben Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten Flächen gelangt Stickstoff in Form von Nitrat oder Ammonium auch aus Wald-, Siedlungs- und unproduktiven Flächen sowie aus Punktquellen wie Abwasserreinigungsanlagen und Regenwasserentlastungen in die Gewässer. Via Deposition von Ammoniak trägt die Landwirtschaft auch zu den Nitratemissionen aus nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen bei. 

Nitratgehalte im Grundwasser ziemlich stabil

Grundwasser enthält von Natur aus nur wenige Milligramm Nitrat pro Liter. Für Grundwasser, das der Trinkwassernutzung dient oder dafür vorgesehen ist, besteht in der Gewässerschutzverordnung (GSchV) die numerische Anforderung von maximal 25 mg/l Nitrat. Für Trinkwasser ist im Lebensmittelrecht ein Wert von 40 mg/l Nitrat festgelegt. 

Die Anforderung der GSchV von 25 mg/l Nitrat wird an rund 15 % aller Messstellen der nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA überschritten. Bei Messstellen, deren Einzugsgebiet überwiegend für «Ackerbau» genutzt wird, sind es knapp 40 %, bei überwiegend Gras- und Viehwirtschaft rund 10 %.

Die Nitrat-Konzentrationen liegen heute in einer ähnlichen Grössenordnung wie im Jahr 2002. Die Situation hat sich in den letzten Jahren durchschnittlich nur minimal verbessert. 
 

Zoom: ab20_umwelt_grafik_naqua_nitrat_grundwasser_d.png

Nitrat-Konzentration als Maximalwert und Mittelwert pro NAQUA-Messstelle. Anteil offenes Ackerland pro Gemeindefläche. Quelle: Nationale Grundwasserbeobachtung NAQUA
Numerische Anforderung GSchV: 25 mg/l
 

Zoom: ab20_datentabelle_grafik_umwelt_stickstoffnaqua_nitrat_grundwasser_lw_2002_2017_d.png

Entwicklung der Nitrat-Konzentration im Grundwasser für Messstellen, deren Einzugsgebiet überwiegend für «Ackerbau» bzw. «Gras- und Viehwirtschaft»genutzt wird. Maximalwert pro NAQUA-Messstelle. Anzahl Messstellen pro Hauptbodennutzung: Ackerbau: 93; Gras-& Viehwirtschaft: 143.
Quelle: Nationale Grundwasserbeobachtung NAQUA

Was beeinflusst den Nitratgehalt?

Generell kommt es zur Auswaschung ins Grundwasser, wenn Sickerwasser gebildet wird und Nitrat im Boden vorhanden ist, das mit dem Sickerwasser ins Grundwasser verlagert werden kann. 

Die Grundwasserneubildung erfolgt vor allem im Winterhalbjahr, weil die Pflanzen zu dieser Zeit kaum wachsen und deshalb nur wenig Wasser aufnehmen und weil die Verdunstung infolge der niedrigen Temperaturen gering ist. Wie viel Wasser versickert, kann durch die Wahl der Kulturen, die Bodenbearbeitung und die Bewässerung beeinflusst werden.

Die Sickerwassermenge kann jedoch deutlich weniger stark beeinflusst werden als der Gehalt an mineralischem Stickstoff im Boden. Dieser hängt von verschiedenen, vielfach untereinander verbundenen Faktoren ab:

  • Stickstoffeinträge über Düngung, biologische Stickstofffixierung und atmosphärische Deposition. Bei der Düngung spielt die Menge, der Zeitpunkt und die Form der Ausbringung eine Rolle.

  • Mineralisierung von organischen Substanz. Organische Substanz wird durch Hofdünger und Ernterückstände zugeführt. Wann und wie schnell die organische Substanz mineralisiert wird, ist u.a. vom Tongehalt des Bodens, vom Niederschlag und der Temperatur abhängig. Beeinflusst wird der Auf- und Abbau von organischer Substanz im Boden auch durch die Bodenbearbeitung und die angebauten Kulturen. Beispielsweise nimmt innerhalb einer Fruchtfolge unter Kunstwiese der Gehalt an organischer Substanz im Boden zu, und nach dem Wiesenumbruch kann es zu einem Mineralisierungsschub kommen, insbesondere beim Anbau einer humuszehrenden Kultur wie Mais.

  • Stickstoffaufnahme durch die Pflanzen. Diese wird beeinflusst durch die Pflanzenart, die Pflanzendichte, das Wachstumsstadium sowie der Wachstumsgeschwindigkeit.

Was ist bei zu hohen Nitratgehalten zu tun?

Überschreitet die Nitrat-Konzentration die rechtliche Anforderung, haben die Kantone die Ursachen abzuklären und dafür zu sorgen, dass gestützt auf die entsprechenden Vorschriften die erforderlichen Massnahmen getroffen werden. Massnahmen der Landwirtschaft können im Rahmen des Gewässerschutzprogramms Landwirtschaft abgegolten werden. Da sich das Grundwasser häufig nur langsam erneuert, dauert es einige Jahre oder unter Umständen sogar Jahrzehnte, bis die Wirkung von Massnahmen im Grundwasser sichtbar wird. 

In Projekten zur Reduktion des Nitratgehaltes im Grundwasser ist die Umwandlung eines Teils des Ackerlandes in Dauergrünland die wirksamste Massnahme. Dies kann damit erklärt werden, dass der Boden ganzjährig dicht bewachsen ist und keine Bodenbearbeitung stattfindet. Im Acker- und Gemüsebau kann die Auswaschung mit einer guten Gestaltung der Fruchtfolge reduziert werden. Zwischenkulturen (Gründüngung, Zwischenfutter) nehmen Stickstoff auf und senken dabei den Gehalt an mineralischem Stickstoff im Boden. Sie ermöglichen auch eine gute Bodenbedeckung im Winter. Wie weit verschiedene Massnahmen zur Reduktion der Nitratauswaschung im Acker- und Gemüsebau beitragen, wird aktuell im Projekt NitroGäu untersucht. 

Das Projekt NitroGäu wird von 2017 – 2021 als wissenschaftliche Begleitung des Gewässerschutzprojektes Gäu-Olten durchgeführt. Ziel ist, die Grundlagen für die Reduktion des Nitrateintrages aus dem Acker- und Gemüsebau ins Grundwasser in der Region Gäu-Olten zu verbessern. Neben Literaturanalysen wird die Anpassungen der Bewirtschaftung und deren Auswirkungen auf Erträge und Nitratauswaschung in der Praxis untersucht. Vertiefte Studien zur Hydrologie und zum Hofdüngermanagement sollen zu einem besseren Prozessverständnis beitragen. Aus dem Forschungsprojekt werden Empfehlungen abgeleitet, mit welchen Massnahmen und Methoden eine grundwasserschonende Landwirtschaft im Gewässerschutzprojekt Gäu-Olten, aber auch in anderen Regionen dauerhaft erzielt werden kann. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Überarbeitung von Modellen zur Abschätzung der Nitratauswaschung, insbesondere des Nitratindexes, der als Grundlage für Abgeltungen im Gewässerschutzprojekt Gäu-Olten dient. Am Forschungsprojekt arbeiten mehrere Forschungspartner (Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL, Agroscope, Universität Neuchâtel, ETH Zürich und Gutachterbüro TerrAquat (D)) mit.
 

Erste Resultate zur Nitratauswaschung unter Freilandgemüse

Die Nitratauswaschung unter Freilandgemüse ist deutlich höher als unter Dauergrünland und Ackerbau. Zwischen den verschiedenen Gemüsekulturen gibt es grosse Unterschiede. Dabei sind drei Faktoren besonders wichtig: Höhe des Stickstoffbedarfs, Menge der auf dem Feld verbleibenden Ernterückstände und Wurzeltiefe der Pflanzen. In einer Literaturstudie wurde das Auswaschungspotenzial von 40 Gemüsearten anhand dieser Angaben klassifiziert.
 

bild_nitratauswaschung.jpg

Foto: Ernst Spiess, Agroscope


Kohlarten weisen das höchste Nitratauswaschungspotenzial auf. Bei Blattgemüsearten ist es deutlich tiefer. Kohlgemüse weist im Vergleich zu Blattgemüse einen hohen Stickstoffbedarf auf. Auch bleiben bei Kohlgemüse relativ grosse Mengen an Ernterückständen auf dem Feld zurück. 

Die Nitratauswaschung wird reduziert durch die sachgerechte Steuerung der Bewässerung, die Berücksichtigung des Gehaltes an mineralischem Stickstoff im Boden (Nmin-Bodenproben) vor der Düngerausbringung, sowie einen vermehrten Anbau von Zwischenkulturen. Die Wegfuhr der Ernterückstände sollte in Erwägung gezogen werden, insbesondere bei stickstoffreichem Pflanzenmaterial sowie beim letzten Satz im Herbst.

Im Projekt NitroGäu werden aktuell weitere Untersuchungen zur Nitratauswaschung unter Gemüse auf der Lysimeteranlage in Zürich-Reckenholz (siehe Bild) sowie im Freiland in der Region Gäu durchgeführt. 
 

Literatur

Zemek O., Neuweiler R., Spiess E., Stüssi M., Richner W., 2020: Nitratauswqaschungspotenzial im Freilandgemüsebau – eine Literaturstudie. Agroscope Science | Nr. 95 / 2020. link  
Projekt NitroGäu: link

Der Nitratgehalt im Wasser bleibt ein Thema. Durch die Ausdehnung der Siedlungsfläche wird die Möglichkeit neue Trinkwasserfassungen zu erschliessen, weiter eingeschränkt, der Schutz und die Erhaltung von bestehenden Fassungen wird umso wichtiger. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass durch den Klimawandel die Nitratgehalte im Grundwasser ansteigen könnten.

Ruth Badertscher, BLW, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, ruth.badertscher@blw.admin.ch

Facebook Twitter