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Die staatlichen Sozialversicherungen bilden ein soziales Sicherheitsnetz: Versicherungen wie etwa die AHV bieten den Menschen einen Schutz vor Risiken, deren finanzielle Folgen sie nicht allein bewältigen können.

Wie sieht es mit den Sozialversicherungen und Sozialleistungen bei Landwirten und Bäuerinnen aus? Wie hoch sind diese? Fakt ist: Statistische Auswertungen nach Berufskategorie sind bei vielen Sozialversicherungen aufgrund fehlender Berufsangaben nicht möglich. Möglich sind sie bei der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), bei den Familienzulagen in der Landwirtschaft und bei der Sozialhilfe. 

Die Alters- und Hinterlassenenversicherung

Die AHV leistet einen Beitrag zum Existenzbedarf, wenn das Erwerbseinkommen wegfällt, z.B. beim Erreichen des ordentlichen Rentenalters oder beim Tod der versorgenden Person. Nachfolgend werden aber nicht die AHV-Renten betrachtet, sondern die AHV-pflichtigen Einkommen, quasi die Grundlage der Renten.

Wie wird die AHV-Rente berechnet?

Die AHV-Rente wird anhand des massgebenden Einkommens sowie allfälligen Erziehungs- und Betreuungsgutschriften berechnet. Die Rentenhöhe hängt – nebst der Einkommenshöhe – von der Anzahl Beitragsjahre zwischen dem 18. Lebensjahr bis zum Rentenalter ab.

Die aktuellste AHV-Einkommensstatistik stammt aus dem Jahre 2016. Sie umfasst 5,6 Millionen sowohl selbständige als auch unselbständige Erwerbstätige sowie nicht-erwerbstätige Personen. Nicht-erwerbstätige Personen sind typischerweise z.B. Hausfrauen und -männer. Und viele Bäuerinnen – jene, die nicht entlöhnt werden und auch keiner anderen entlöhnten Arbeit nachgehen – gelten aus Sicht der Sozialversicherungen ebenfalls als Nicht-Erwerbstätige. 

Unter den etwas mehr als 5,1 Millionen erwerbstätigen Beitragszahlenden sind 48 400 Selbständige aus der Landwirtschaft, Frauen und Männer, also knapp 1 %. Bei rund drei Vierteln der Landwirte (32 200) und Landwirtinnen bzw. Bäuerinnen (4600) ist das AHV-Einkommen aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit am höchsten, unabhängig davon, ob sie effektiv eine andere Erwerbstätigkeit haben oder nicht. Rund die Hälfte hat auch ein Einkommen aus einer anderen, nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeit. 

AHV-pflichtiges jährliches Einkommen von Selbständigen in der Landwirtschaft 20161 (Personen im Alter von 18 bis 63/64 Jahren)2

AHV-Einkommen 2016AnzahlTotal mittleres
AHV-pflichtiges
Einkommen (arithmetisches
Mittel)
davon aus landwirt-
schaftlicher Tätigkeit
davon aus
anderer Erwerbs-
tätigkeit3
Mittleres Alter
 Fr.Fr.Fr.Jahre
Männer42 40074 90055 20019 70048,5
Frauen6 00042 70030 70012 20048,7
Total bzw. Mittelwert48 40070 90052 20018 80048,5

1 Spezialauswertung
2 Erwerbstätige Personen im Jahr des Erreichens des AHV-Alters (64 bzw. 65 Jahre) sowie nach dem AHV-Alter (65+ bzw. 66+ Jahre) werden nicht berücksichtigt. 
3 Personen ohne andere Erwerbstätigkeit: Bei der Berechnung des Mittelwertes wird der Betrag von 0 Franken eingesetzt.
Quellen: Individuelle Konten der AHV, Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) – Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV); Stand April 2020

Wie werden eigentlich die Daten für die AHV-Einkommensstatistik erhoben?

Die Zentrale Ausgleichsstelle in Genf erhält von den Ausgleichskassen die Einkommenseinträge (also die Höhe des AHV-pflichtigen Einkommens) in den individuellen AHV-Konten zu statistischen Zwecken mitgeteilt. Selbständige in der Landwirtschaft werden von den Ausgleichskassen dabei in einer separat dafür vorgesehenen Beitragsart gemeldet, daher ist eine Auswertung für diese selbständigerwerbenden Frauen und Männer möglich.

Bei allen Selbständigerwerbenden, die nur den AHV-Mindestbeitrag zahlen und bei denen die Höhe des Einkommens nicht bekannt ist, wird ein Einkommen «von Amtes wegen» (gemäss Beitragstabellen Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige) eingetragen. Im Jahr 2016 betrug dieses 9 333 Franken. In der Landwirtschaft erfolgte dieser Eintrag bei 15 % (5700 Männern und 1600 Frauen). Zu beachten ist: Alle Selbständigerwerbenden können ihr AHV-pflichtiges Einkommen durch Einkäufe in die berufliche Vorsorge reduzieren. Das Ausmass dieser Einkäufe ist aber nicht bekannt.

Im Jahr 2016 waren 6000 Frauen als Selbständige in der Landwirtschaft erwerbstätig, also fast doppelt so viele wie im Jahr 2000 (3400). Ihr Einkommen aus dieser selbständigen Erwerbstätigkeit hat sich in dieser Zeit annähernd verdoppelt: von 16 400 auf 30 700 Franken pro Jahr.

Die Familienzulagen

Familienzulagen sind neben Steuererleichterungen das wichtigste Mittel des Familienlastenausgleichs. Familienlastenausgleich? Das sind Leistungen zugunsten der Familien mit Kindern. Mit diesen sollen die durch Geburt und Erziehung verursachten Lasten, also Kosten, ausgeglichen werden.

Familienzulagen nach FLG und FamZG

Es gibt zwei Arten von Familienzulagen: Familienzulagen in der Landwirtschaft nach dem FLG (Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft) und die allgemeinen Familienzulagen nach dem FamZG (Bundesgesetz über die Familienzulagen).
 

Wer hat Anspruch auf die Familienzulagen?

Die Familienzulagen in der Landwirtschaft nach dem FLG gelten für: selbständige Landwirtinnen/Landwirte, Älpler, Berufsfischer sowie landwirtschaftliche Arbeitnehmende. Anspruch auf Familienzulagen nach dem FamZG haben alle Arbeitnehmenden, alle Selbständigerwerbenden sowie Nichterwerbstätige mit bescheidenem Einkommen.
 

Wie werden die Familienzulagen finanziert?

Die Familienzulagen nach dem FLG an die landwirtschaftlichen Arbeitnehmenden werden teilweise von den landwirtschaftlichen Arbeitgebenden finanziert. Den Restbetrag sowie den Aufwand für die Familienzulagen an Landwirtinnen/Landwirte, Älpler und Berufsfischer decken zu zwei Dritteln der Bund und zu einem Drittel die Kantone. Die Familienzulagen nach dem FamZG werden einzig aus den Beiträgen der Arbeitgebenden und Selbständigerwerbenden finanziert. Die Familienzulagen für Nichterwerbstätige werden von den Kantonen finanziert.


Monatliche Ansätze von Familienzulagen in der Landwirtschaft

Art der FamilienzulageAnsatz
Fr.
Kinderzulage1 (Kinder bis 16 Jahren)200
Ausbildungszulage1 (Kinder von 16 bis 25 Jahren)250
Haushaltungszulage100

1Berggebiet: um 20 Fr. höher
Quelle: Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)


Die Höhe der Kinder- und der Ausbildungszulagen in der Landwirtschaft entspricht den Mindestansätzen nach FamZG. Im Berggebiet sind diese Ansätze um 20 Franken höher – aus dem Grundgedanken, wirtschaftlich benachteiligte, kinderreiche Bergbauern finanziell zu unterstützen. Landwirtschaftliche Arbeitnehmende erhalten zusätzlich eine monatliche Haushaltungszulage von 100 Franken. Einzelne Kantone richten nebst diesen Zulagen noch weitere aus, z.B. Geburts- oder Adoptionszulagen.

Monatliche Ansätze von Familienzulagen in der Landwirtschaft nach FLG

Bezüger/innen Jährliche Zulagen Durchschnittliche Zulagen (pro Jahr)
 AnzahlMio. Fr.Fr.
Landwirtschaftliche Arbeitnehmende8 401  
 Kinderzulagen8 35615,8621 898
 Ausbildungszulagen2 4935,4152 172
 Haushaltungszulagen7 8777,425943
Landwirte/Landwirtinnen12 395  
 Kinderzulagen20 21146,1672 284
 Ausbildungszulagen861520,8552 421
Total20 79695,7244 603

Mit Älpler und Fischer
Pro Kind wird nur eine Zulage ausgerichtet.
Bezüger/innen von einzig Haushaltungszulagen werden teils nicht vollständig erfasst.
Quelle: BSV

Die Höhe der ausbezahlten landwirtschaftlichen Familienzulagen hat in den letzten Jahren wegen dem Rückgang der Anzahl Landwirtschaftsbetriebe und einer Änderung des FamZG deutlich abgenommen: 2013 wurde die Regelung der «Anspruchskonkurrenz» angepasst, was zur Folge hat, dass immer mehr Bauernfamilien Zulagen über das FamZG statt über das FLG beziehen. 2009 beliefen sich die von jeweils den Kantonen ausbezahlten Familienzulagen in der Landwirtschaft nach FLG noch auf 150 Millionen Franken. 2019 waren es mit 95 Millionen Franken rund 40 % weniger.

Die Sozialhilfe

Jeder Mensch in der Schweiz hat einen Anspruch auf Hilfe in Notlagen. Zuständigkeit und Vollzug sind je nach Kanton oder Gemeinde unterschiedlich organisiert.

Sozialhilfe-Bezug von Erwerbstätigen in der Landwirtschaft 20181

FälleUnterstützte Personen (Erwachsene und Kinder)
 AnzahlAnzahl
Selbständig5481
Regelmässig Angestellte210394
Übrige Erwerbstätige in Privathaushalten292478
Erwerbstätige in stationären Einrichtungen / besonderen Wohnformen2931
Total Erwerbstätige585984

1 Spezialauswertung: Erwerbstätige Sozialhilfefälle in der Landwirtschaft nach Erwerbssituation. Die Angaben zur Branche (Landwirtschaft) in der Sozialhilfestatistik sind mit Unschärfen behaftet (hoher Anteil fehlender Werte). Die hier präsentierten Angaben sind als Annäherung zu verstehen.
Grundgesamtheit: Personen in Dossiers (Fälle), in denen die Antrag stellende Person in der Landwirtschaft (inkl. Forst, Fischerei) erwerbstätig und zwischen 15 und 64 Jahren alt ist.
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS); die Resultate der Schweizerischen Sozialhilfestatistik basieren seit 2009 auf einer Vollerhebung in allen Kantonen.

Im Jahr 2018 wurde an 585 Fälle aus der Landwirtschaft, mit 984 unterstützten Personen, Sozialhilfe gewährt (erste Spezialauswertung 2013: 490 Fälle mit 945 unterstützten Personen). Weil die Branche «Landwirtschaft» einen hohen Anteil fehlender Werte aufweist, sind die Angaben als Annäherung zu verstehen.

Die jährlichen Ausgaben pro Sozialhilfeempfänger/in belaufen sich auf ca. 10 400 Franken (Durchschnitt für alle Sozialhilfeempfänger/innen). Somit liegen die Sozialhilfeausgaben der Kantone oder Gemeinden für Personen aus der Landwirtschaft schätzungsweise bei 10 Millionen Franken pro Jahr.

Lieber Gürtel enger schnallen als Sozialhilfe beziehen?

Voraussetzung, damit Sozialhilfe in Anspruch genommen werden kann, ist der Bedarfsnachweis. Dies bedeutet, dass die finanziellen Verhältnisse aufgedeckt und Privates einer Behörde mitgeteilt werden müssen. Das kann für viele Bauernfamilien ein grosses Hindernis darstellen. Unter ihnen sind nämlich Werte wie Autonomie und Unabhängigkeit sehr wichtig. Auch die enge Verflechtung von Betrieb und Privathaushalt kann ein Grund sein, weshalb eher selten Sozialhilfe in Anspruch genommen wird: Der Gürtel wird enger geschnallt, und man lebt «von der Substanz» (aus: Lebensbedingungen und Handlungsansätze von Bauernhaushalten in schwierigen Situationen; S. Contzen, E. Crettaz und J. Forney et al., 2015).

Esther Grossenbacher, BLW, Fachbereich Forschung, Innovation und Evaluation, esther.grossenbacher@blw.admin.ch
 

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